А.И.Фефилов 

докт. филол. наук, профессор, член-корр. АНРТ,

декан Факультета Лингвистики и Международного Сотрудничества Института Международных Отношений Ульяновского Государственного Университета          

                               Морфотемика   Когитология   Конфронтативистика  Транслятология                        

         
                                   

Книги

д.ф.н., проф., член-корр. АНРТ А.И.Фефилова


1.Морфотемный анализ единиц языка и речи.Ульяновск,1997. -246 с.

2.Морфотемика. Коллективная монография.Ульяновск,2008. -406 с.

3.Конфронтативная морфотемика русского и немецкого языков (когитологическое исследование).Монография. Ульяновск, 2009. - 323 с.

4.Когитологические аспекты анализа языка в философии и лингвистике. Ульяновск, 2006. - 316 с.

5.Основы когитологии. Ульяновск, 2004. - 216 с.

6.Введение в когитологию. Учебное пособие. М., 2010. - 240 с.

7.Когитология. Монография. Ульяновск, 2010. - 406 с.

8.Язык - Сознание - Действительность. Лингвофилософская интерпретация. Ульяновск, 2002. - 100 с.

9.Методологические основы транслятологии. - Ульяновск, 2003. - 243 с.

10.Теория перевода. Электронный учебный курс. Ульяновск, 2010.

11.Учебное пособие по лексикологии немецкого языка (Handbuch zur Lexikologie der deutschen Sprache). Ульяновск, 2010. - 91 с.

12.Vorlesungs-und Seminarstoffe zur Lexikologie der deutschen Gegenwartssprache. Ульяновск, 2001. -


Lexikologie

 

Übersicht

über die Hauptprobleme der Lexikologie

der deutschen Gegenwartssprache

 

Das Wort als Element des sprachlichen Systems und als Einheit der Rede (intralinguistische Struktur und extralinguistische Funktion des Wortes):

¨ Das Wort als Einheit des Lexikons und als Einheit der Rede;

¨ Definition des Wortes;

¨ Unilaterale und bilaterale Auffassung des Wortes als Sprachzeichen;

¨ Nominative und repräsentative Funktion des Wortes;

¨ Das Wort als Produkt der lingualkreativen Tätigkeit des Bewußtseins (statischer Aspekt) und als Instrument der kommunikativ-repräsentativen Tätigkeit des Bewußtseins (dynamischer Aspekt);

¨ Das Wort als Objekt der linguistischen Analyse;

¨ Das Wort als Gegenstand der lexikologischen Untersuchung;

¨ Semasiologische und onomasiologische Betrachtung des Wortes;

¨ Das Wort als eine phraseologische (idiomatische) Einheit;

¨ Konnotativ-bewertende, subjektiv gefärbte Potenz und Funktion des Wortes;

¨ Semantisch motiviertes und nichtmotiviertes bzw. remotiviertes Akustem des Wortes;

¨ Die Arten der Motivation;

¨ Morphematische Struktur des Wortes;

¨ Die Bestimmung des Morphems und des Lexems;

¨ Potentiell-repräsentative Möglichkeiten verschiedener Wortarten;

¨ Das Wort als Element eines Syntagmas;

¨ Kommunikativ-repräsentative Möglichkeiten des Wortes in der Beziehung des Prädizierens im Rahmen der Wortverbindung.

 

Kriterien der lexikologischen Klassifizierung der Wörter:

¨ Die Prinzipien der Systematisierung von Wörtern und Wortbeziehungen auf der Ebene des Sprachsystems (langue);

¨ paradigmatische Felder;

¨ thematische, synonymische und antonymische Wortbeziehungen;

¨ hyperonym-hyponymische Beziehungen;

¨ territoriale Dubletten;

¨ Heteronyme;

¨ phonetische, graphische Homonyme;

¨ Archaismen und Historismen;

¨ Neologismen;

¨ Dialekte;

¨ sozial-differenzierte Lexik; Jargonismen.

Die semantische Struktur des Wortes:

¨ Substantielle und relationelle Auffassung der Wortbedeutung;

¨ Die Bedeutung als sprachliche Kategorie;

¨ Das Zusammenwirken von Wortbedeutung und Denkbegriff;

¨ Probleme der Wortbedeutungsdefinition;

¨ Die Arten der Wortbedeutung:

¨ lexikalische Bedeutung;

¨ Hauptbedeutung oder eigentliche Bedeutung;

¨ Grundbedeutung;

¨ Nebenbedeutungen oder nichteigentliche Bedeutungen:

¨ übertragene oder metaphorische bzw. metonymische Bedeutung;

¨ begriffliche Bedeutung (extensionale und intensionale);

¨ konnotative Bedeutung;

¨ usuelle und okkasionelle Bedeutung;

¨ potentielle und aktuelle Bedeutung;

¨ freie und phraseologisch gebundene Bedeutung;

¨ Semantische Struktur (Syntagmem) des Wortes als Zusammenhang von positionellen, denkkategoriellen, funktionellen, qualifikativen und kontensio­nalen Merkmalen;

¨ Expliziter und impliziter Charakter der semantischen Merkmale;

¨ Die Veränderung der eigentlichen (stereotypen) semantischen Struktur eines Wortes im Rahmen der attributiven oder prädikativen Syntagmen;

¨ Die Aktualisierung der eigentlichen semantischen Struktur (des absoluten Syntagmems) des Wortes und die Herausbildung der neuen, kontextuell bedingten semantischen Struktur (des relativen Syntagmems) des Wortes;

¨ Die Integration von der potentiellen eigentlichen semantischen Struktur des Wortes und dem bezeichneten begrifflichen Komplex;

¨ Semantischer und informativer Umfang des Wortes.

 

Wege zur Bereicherung und Entwicklung des Lexikons:

¨ Die Erweiterung (Generalisierung) und die Verengung (Spezialisierung) der Wortbedeutung;

¨ Entstehung der Mehrdeutigkeit und Eindeutigkeit der Wörter (Polysemie und Monosemie);

¨ Metaphorisierung und Metonymisierung der Wörter;

¨ Etymologisierung der Wörter;

¨ Die Verdeutschung der Fremdwörter;

¨ Die Ursachen der Entstehung der Homonyme;

¨ Die Wortbildung als produktivster Weg zur Bereicherung des Lexikons und der Rede;

¨ Statische und dynamische Aspekte der deutschen Wortbildung:

¨ Die Wortbildungskonstruktionen der deutschen Sprache als Resultat der Integration von Lexik und Syntax;

¨ Die Unterscheidungsmerkmale der deutschen Wortbildungskonstruktionen;

¨ Die Wortbildungsarten im Deutschen:

1. Zusammensetzung:

1.1. determinative (eigentliche, uneigentliche) Zusammensetzung bzw.

Bestimmungszusammensetzung.

1.2. kopulative Zusammensetzung (echte und periphere).

1.3. possessiv-metonymische Zusammensetzung (Bahuvrihi).

1.4. Zusammenrückung.

2. Derivation (Ableitung):

2.1. explizite (suffixale) Ableitung.

2.2. implizite (suffixlose) Ableitung.

2.3. Zusammenbildung (als besondere Art der Ableitung von Wortgruppen

bzw. von Wortverbindungen).

2.4. Konversion.

2.5. Rückbildung.

3. Präfixbildung.

4. Besondere Arten der Wortbildung:

4.1. Wortkürzung.

4.2. Initialwörter.

4.3. Reduplikation, Iteration.

4.4. Kunstwörter.

4.5. Wortkreuzung (Kontamination).

 

- Semantisch-strukturelle Unterschiede verschiedener Wortbildungsarten;

- Konstituentenanalyse der Wortbildungsstruktur;

- Die Arten der Wortbildungsmorpheme (Stammorpheme, Wurzelmorpheme, Affixe: Suffixe, Präfixe; Halbsuffixe; Halbpräfixe; Pseudolexeme u.a.);

- Die Haupttendenzen der Wortbildung in der deutschen Gegenwartssprache;

- Die Phraseologisierung (Idiomatisierung) der freien syntaktischen Wortverbindungen;

- Merkmale der Phraseologismen (Reproduzierbarkeit, Stabilität, Idiomati­zität);

- Die Klassifizierung der Phraseologismen: Idiome; phraseologische Einheiten; phraseologische Verbindungen.

 

 

Lesestoffe zum Seminar 1

Thema: Das Wort als Grundeinheit der Sprache.

Seine strukturellen und semantischen Merkmale

 

Das Wort als sprachliche Einheit

 

Jede Sprache verfügt über einen größeren oder geringeren Vorrat an Wörtern; alle Wörter, die es in einer Sprache gibt, bilden ihren Wortbestand. Aber der Wortbestand macht noch nicht die Sprache aus. Sprache tritt in der Wirklichkeit nicht in Gestalt vereinzelter Wörter auf, sondern immer in größeren Redeeinheiten, in Sätzen, die nach den Regeln der Grammatik aus Wörtern zusammengefügt sind. Das Einzelwort, so wie es im Wörterbuch vorkommt, ist eigentlich eine Art künstlichen Präparats, das zum Zwecke der wissenschaftlichen Betrachtung aus dem lebendigen Redezusammenhang isoliert wird.

In der Sprachwissenschaft stoßen wir auf das Wort als einen Teil der Rede, und zwar es ist der kleinste selbständige, sprachliche Einheit aus Lautkomplex und Bedeutung oder, wie man einfacher sagen kann, der kleinste selbständige sprachliche Bedeutungsträger. Es war schon davon die Rede, daß das Wort aus der höheren sprachlichen Einheit, dem Satz, ausgegliedert werden kann. Zwischen dem Einzelwort und dem Satz stehen jedoch noch andere
sprachliche Einheiten, die kleiner als der Satz, aber größer als das Einzelwort sind. Wir unterscheiden die Syntagmen und Wortgruppen im Satz… (z.B. der große Hörsaal; wie ein Zaunkönig) und die sog. erstarrten Wortverbindungen, die ihrer Struktur nach zwar aus zwei oder mehreren Wörtern bestehen, aber jeweils eine unlösliche Bedeutungseinheit bilden (z.B. linker Hand, Bilanz ziehen).

Kleinere sprachliche Einheiten als die Wörter sind die sog. Morpheme. Das können Lautgruppen oder einzelne Laute sein. Morpheme sind die kleinsten sprachlichen Einheiten, die eine Bedeutung tragen. Wenn wir diese Definition mit der des Wortes vergleichen, stellen wir folgenden Unterschied fest. Die Morpheme sind zwar ebenfalls Bedeutungsträger, sie treten jedoch in der Rede nicht als selbständige Bezeichnungen von Gegenständen und Erscheinungen der Wirklichkeit auf, sondern nur als Bestandteile, als Bildungselemente von Wörtern und Wortformen. Wir unterscheiden je nach der Rolle, die sie bei der Konstituierung der Wörter und Wortformen spielen, folgende Arten von Morphemen: Stamm-, Wortbildungs- und grammatische Morpheme (vgl. Fisch-er-s). Manche Stammorpheme können in der Funktion von Wörtern auftreten (z.B. Fisch, Tal, Berg, Halt). Die Morpheme unterscheiden sich von den Wörtern also dadurch, daß sie nur als unselbständige Bestandteile davon Wörtern vorkommen (nach W. Schmidt. Deutsche Sprachkunde. Berlin, 1972. S.23-25).

 

Die Einheiten der Wortbildung

 

Morpheme sind die kleinsten sprachlichen Bedeutungsträger oder die kleinsten sprachlichen Zeichen. Als Morpheme werden die bedeutungstragenden Bausteine des Wortes bezeichnet (vgl. ver-geh-st). Grundmorpheme oder Basismorpheme (Lehr-, Geh-, Schreib-) vermitteln die lexikalisch-begriffliche Bedeutung.

Die Morpheme (Grundmorpheme), die allein als Wort auftreten (einen Satz bilden) können, heißen freie Morpheme. Die Morpheme, die nur in Verbindung mit anderen (Grundmorphemen) erscheinen, nennen wir gebundene Morpheme. Man unterscheidet auch unikale Morpheme. Das sind die ehemaligen Grundmorpheme, die infolge ihrer lautlichen Entwicklung ihre lexikalische Bedeutung verloren haben, vgl. Nachti-gall (germ. galan = singen) (nach W. Fleischer. Wortbildung der deutschen Gegenwartssprache. Leipzig, 1971. S.9-53).

Bei Bildungen wie Himbeere, Nachtigall oder Bräutigam handelt es sich um erstarrte, sprachgeschichtlich jedoch erklärbare Verbindungen, in denen Konstituenten auftreten (him-, -igall, -igam), deren Bedeutungen dem Sprachbenutzer heute nicht mehr bekannt sind. Diese Bestandteile können als unikale Morpheme bezeichnet werden (vgl. Sprachpflege, 1984/7. S.100).

 

Fragen und Aufgaben zum Seminar

 

1. Nennen Sie die Merkmale des Wortes, die es als Einheit des Sprachsystems und des Sprachgebrauchs charakterisieren!

2. Wodurch unterscheidet sich das Wort von dem Morphem?

3. Bestimmen Sie das Wort als Einheit der lexikalisch-semantischen, morphematischen, grammatischen Ebene!

4. Zerlegen Sie folgende Wörter in ihre Morpheme! Gliedern Sie die Morpheme in Basis-, Wortbildungs- und grammatische Morpheme!

Beherrscherin, des Jahrhunderts, begründen, Adlige, Mannschaft, trotzdem, Wohnbau, des Stammsitzes, Reste, Taugenichts, Schlagetot, Vergißmeinnicht, Rührmichnichtan, kalte Mamsel, der weiße Tod.

5. Ermitteln Sie in folgenden Beispielen unikale Morpheme und deren Herkunft!

Bräutigam, Himbeere, Nachtigall, Lindwurm, Drittel, Montag, Dienstag, Donnerstag, Freitag, Jungfer, heute, Beispiel.

 

 

Lesestoffe zum Seminar 2

Thema: Das Wort als Nenn- und Repräsentationszeichen

 

Die Wortbedeutung

 

Als sprachwissenschaftliche Disziplin untersucht die Semasiologie die Bedeutungen der Wörter, der Wortäquivalente und die Bedeutungsbeziehungen im Wortschatz. Sie untersucht nicht allein das Einzelwort, die isolierte lexikalische Einheit, sondern richtet ihr Augenwerk auf die semantischen Beziehungen zwi-
schen den lexikalischen Elementen, auf die Beziehungen im lexikalischen Teilsystem. Sie bemüht sich um die Einteilung des Wortschatzes nach semantischen Klassen. Ihr Gegenstand sind die semantischen Relationen, des lexikalischen Systems einer Sprache.

Fragt die Semasiologie nach den Bedeutungen der Wörter oder Wort­äquivalente, so fragt die Onomasiologie, die Bezeichnungslehre, danach, wie bestimmte Dinge, Erscheinungen, Merkmale, Relationen … zu bestimmten Zeiten von bestimmten Gruppen benannt werden.

Die Onomasiologie fragt, wie der Gegenstand bzw. sein Abbild benannt werden:

Die Semasiologie fragt, welche Bedeutungen das Wort hat:

Die Bestimmung der lexikalischen Bedeutung

 

Wir betrachten die lexikalische Bedeutung als ein Bewußtseinsbild, als Abbild, das mit dem Formativ zum sprachlichen Zeichen verbunden ist.

Wir betrachten dieses Bewußtseinsbild als Ergebnis der Erkenntnistätigkeit des Menschen im Prozeß seiner schöpferischen Arbeit und der Veränderung der Umwelt, seiner Auseinandersetzung.

Wir sprechen der lexikalischen Bedeutung folgende Eigenschaften und Merkmale zu:

(1) Die Bedeutung ist eine sprachliche Kategorie.

(2) Bedeutung besitzt das Lexem auf der Ebene der Langue (des Sprachsystems) wie auf der Ebene der Parole (im Sprachgebrauch, in der Rede). Auf der Ebene der Parole werden potentielle Bedeutungen aktualisiert. Die Bedeutung ist ein Gefüge, ein Komplex von Merkmalen.

(3) Die Bedeutung ist überindividuell, realisiert sich aber nur im Wortgebrauch. Die Wortbedeutung ist eine überindividuelle Erscheinung, eine gesellschaftliche Invariante. Darauf beruht in erster Linie die Verständigungsfunktion der Sprache.

(4) Die Bedeutung ist determiniert:

- durch die Beziehung der Gesellschaft zur objektiven Realität, und zwar durch die tätige Auseinandersetzung,

- durch die Art und Weise, wie die Gesellschaft die Wirklichkeit wertet, durch die gesellschaftlichen Beziehungen in einer bestimmten histori-
schen Periode;

- durch die systemhaften Beziehungen in der Sprache, die wechselseitige Abhängigkeit und Begrenzung der Bedeutungen.

(5) Die Bedeutung einer lexikalischen Einheit ist komplex in der Weise, daß sie sich aus kleineren Elementen aufbaut, die unterschiedliche Kombinationen eingehen, so daß uns die Wortbedeutung in lexikalisch-semantischen Varianten (als Sememe) entgegentritt. Jede Bedeutung ist in kleinere rekurrente Bedeutungseinheiten zerlegbar. In jeder lexikalischen Variante vereinigen sich kleinere Bedeutungselemente (Bedeutungsmerkmale, Seme, Komponenten, semantische Merkmale).

 

 

 

Bedeutung und Sinn

 

In manchen Kontexten kann ein Lexem einen Sinn erhalten, der nicht durch das Bedeutungsgefüge der Einheit gegeben ist. In einer konkreten Redesituation, in einem konkreten Kontext kann eine Einheit einen Sinn tragen, der nur durch die Besonderheiten des Kontextes oder der Situation zu erklären ist.
E. Riesel spricht in diesem Zusammenhang von kontextualer Bedeutung (nach Th. Schippan. Einführung in die Semasiologie. Leipzig, 1972).

Wir definieren also die Bedeutung eines Wortes als die mit einem Lautkomplex traditionell verbundene Widerspiegelung eines Gegenstandes oder einer Erscheinung der Wirklichkeit im Bewußtsein der Angehörigen einer Sprachgemeinschaft.

Das Wort ist nicht einfach die arithmetische Summe aus Lautkörper und Bedeutung, sondern ein organisches Ganzes, eine strukturelle Einheit von Lautkörper und Bedeutung. Die Bedeutung ist sein Inhalt, seine innere Seite und der Lautkörper ist seine äußere, seine materielle Hülle (nach W. Schmidt. Deutsche Sprachkunde. Berlin, 1972).

 

Aufgaben und Fragen zum Seminar

 

1. Wodurch unterscheidet sich die Wortbedeutung als Sprachkategorie vom Begriff als Denkkategorie?

2.Wodurch wird die lexikalische Bedeutung determiniert?

3. Untersuchen Sie das Wort Kopf vom semasiologischen Standpunkt her!

4. Wie kann der Gegenstand “Kopf” bezeichnet werden?

5. Durch welche Bedeutungsmerkmale unterscheiden sich die Wörter der Reihen von dem jeweils hervorgehobenen Wort?

– gesund werden genesen auf dem Wege der Besserung sein sich aufrappeln wieder auf die Beine kommen geheilt werden der Genesung entgegengehen;

– dick stämmig kompakt robust bullig korpulent mollig stark vollschlank rundlich drall – wohlgenährt;

– heiraten sich verehelichen sich vermählen sich verheiraten freien unter die Haube kommen sich beweiben;

– in den Ehestand treten in den Hafen der Ehe einlaufen den Bund fürs Leben schiließen sich in das Ehejoch beugen.

– Hochzeit machen sich trauen lassen heimführen.

6. Wie entsteht die kontextuelle (situative) Bedeutung der unterstrichenen Wörter?

Die ganze Stadt war auf den Beinen. Das Haus wurde durch einen Hilfeschrei aus dem Schlaf geweckt. Die Universität versammelte sich zu einem Meeting. Mein Fuß betritt nicht diese Schwelle. Wir wohnen mit ihnen unter einem Dach.

7. Vergleichen Sie Benennungsmotive und Bedeutung folgender Wörter! Welche Schlußfolgerungen über die Rolle der Motivation lassen sich ableiten?

Barsch – mhd. bars (verw. Mit Borste, Bürste) – „Spitze“.

Biene – ahd. bini – „schweben“, „schwirren“.

Gimpel – mhd. Gümpel (zu gumpen) – „hüpfen“.

8. Lesen Sie folgende Wörter vor! Welche Erkenntnisse zur Motivation gewinnen Sie?

Gackern, quacken, knurren, summen, kichern, klatschen, plumpsen;

Blitz, Ruhe, flattern, glühen, blinzeln, schimmern.

9. Nennen Sie Benennungsmotive! Vergleichen Sie sie mit der Motivation im Russischen!

Johannisbeere, Erdbeere, Blaubeere, Heidelbeere, Löwenzahn, Löwenmaul, Schneeglöckchen, Maiglöckchen, Fliege, Dompfaff.

 

 

 

Lesestoffe zum Seminar 3

Thema: Die Arten der Wortbedeutung.

 

Wortbedeutung und Begriff

 

Begrifflicher Kern der denotativen Bedeutung und Begriff fallen jedoch weitgehend zusammen. Daher wäre es möglich, die denotative Bedeutung als sprachlichen und kommunikativ geprägten Alltagsbegriff zu bezeichnen. Das bedeutet aber auch, daß ein und derselbe Begriff als Bedeutung verschiedener Wörter auftreten kann. Der Begriff “Ehemann” wird zur Bedeutung der Wörter Ehemann, Mann, Gatte...

Einerseits enthalten also Bedeutugen kommunikative Merkmale, andererseits werden in der Kommunikation niemals alle begrifflichen Merkmale aktualisiert. Der Begriff, der als Bedeutung des Wortes Kreuzotter erscheint, baut sich aus den Merkmalen "Kriechtier", "Schlange mit Giftzähnen" auf.

Das Wort wird in einer bestimmten Situation als Warnung, als Schreckensruf, als Bestandteil einer Aussage verstanden, ohne daß die Kommunikations­teilnehmer über alle begrifflichen Merkmale verfügen müssen. So werden in den Wortbedeutungen die begrifflichen Merkmale nicht allein nach dem Grad des Wesentlichen, dem Erkenntnisstand, geordnet, sondern nach der Funktion des Begriffs in der Kommunikation (S.153).

 

Denotative Bedeutung und Fachwissen

 

Somit läßt sich die denotative Bedeutung als sprachspezifisches gesellschaftlich invariantes Abbild bestimmen, das durch die kommunikativ gesteuerte Erkenntnisfähigkeit gewonnen und in der Kommunikation verfestigt wird. Es enthält Abbildselemente, die objektiv, d.h. durch die Eigenschaften des Denotats bestimmt sind, und Elemente, die sich aus der rationalen und emotionalen Bewertung und Reaktion ergeben. Somit wird ein Begriff in seiner sprachlichen Verfestigung zum Kern der Wortbedeutung, ohne mit ihr identisch zu sein.

Die denotative Bedeutung ist immer im Schnittpunkt von kommunikativer und kognitiver Tätigkeit zu sehen. Deshalb geht einerseits auch nur ein Teil des gesellschaftlich gewonnenen Fachwissens in sie ein, während sie andererseits Elemente enthält, die sehr wohl für die Alltagskommunikation, aber nicht für die wissenschaftliche Arbeit des Fachmanns ausreichend sind (nach Th. Schippan. Lexikologie der deutschen Gegenwartssprache. Leipzig, 1984. S.155).

 

Haupt- und Nebenbedeutungen

 

Wenn es Haupt-und Nebenbedeutungen gibt, so müßte ihre Bestimmung die Reihenfolge der Sememeintragung im Wörterbuch regeln. Alltagserfahrungen sprechen zunächst dafür, daß die Sememe eines Lexems nicht gleichwertig im Hinblick auf ihre Gebräuchlichkeit und Bekanntheit sind. Oft stellt man erst beim Blick ins Wörterbuch fest, daß ein Wort außer der "Hauptbedeutung" noch weitere Sememe trägt. So wird man grün zuerst als Farbenbezeichnung auffassen, die Sememe “unreif” (grüne Pflaumen, grüne Tomaten) und "unbearbeitet" von Lebensmitteln (grüne Heringe, grüner Speck, grüne Klöße) als abgeleitet einordnen (nach Th. Schippan. Lexikologie der deutschen Gegenwartssprache. Leipzig, 1984. S.169).

So wurde geschlußfolgert: Die Grundbedeutung ist die kontextuell nicht bedingte Bedeutung eines Wortes, die aus der Bedeutungsstruktur des Wortes vor allen anderen Bedeutungen ausgegliedert wird (nach Lewizki).

Dennoch gibt es eine große Zahl von Lexemen, bei der es auch mit Hilfe der Tests kaum zu entscheiden ist, welches ihrer Sememe als Hauptbedeutung gelten könnte. In der Regel aber ist eine metaphorische Bedeutung abgeleitet, also sekundär (nach Th. Schippan. Lexikologie der deutschen Gegenwartsspra­che. Leipzig, 1984. S.170).

 

Fragen und Aufgaben zum Seminar

 

l. Was versteht man unter denotativer Bedeutung? Welche semantischen Merkmale konstituiren die denotative (lexikalische) Bedeutung?

2. Wovon sind die Nebenbedeutungen des Wortes abgeleitet? Welche Schwierigkeiten entstehen bei der Festlegung der Hauptbedeutung des Wortes?

3. Wie kann die Grundbedeutung des Wortes aufgefaßt werden?

4. Bestimmen Sie extensionale und intensionale Bedeutung von folgenden Wörtern!

Apfelwein, Lehrer, Stipendium, die Kleine, Mädchen.

5. Welche von angeführten Wörtern sind zusätzlich, emotional, expressiv, wertend im Sprachsystem oder im Sprachgebrauch schattiert?

Gesicht Fresse Maul, Nachbar – Bär, Mann Flasche tote Hose.

6. Bestimmen Sie die Bedeutung vom Wort grün in folgenden Wortverbindungen:

grünes Gras, grünes Obst, grüner Wald, das grüne Kleid, grünes Holz, grüne Ware, grüne Heringe, grüner Speck, ein grüner Junge.

7. Bestimmen Sie die Bedeutung der unterstrichenen Wörter!

Um 14 Uhr fährt der Zug ab. Du hast den ersten Zug im Schach. Er trank das Glas mit einem Zug. Der Kunde fragt nach dem Preis der Ware. Der Lehrer fragt die Studenten. Er hat keinen Docht in der Lampe. Es geht mir auf den Docht.

8. Übersetzen Sie ins Russische folgende Wendungen! Welche Schlußfolgerungen über die Bedeutungsentwicklung der äquivalenten Wörter ziehen Sie?

1) einen Zweig brechen, 2) die Glasscheibe brechen, 3) den Radioapparat kaputt machen, 4) das Wort brechen, 5) einen Rekord brechen,
6) Beziehungen brechen, 7) sich den Kopf über etwas zerbrechen, 8) sich die Hände ringen, 9) den Dummen spielen, 10) vor jemandem bücken.

 

 

 

 

Lesestoffe zum Seminar 4

Thema: Wortbeziehungen, Wortfelder

 

Kein ausgesprochenes Wort steht im Bewußtsein des Sprechers und Hörers so vereinzelt da wie man aus seiner lautlichen Vereinsamung schließen könnte. Es taucht eine Fülle anderer Worte auf, die dem ausgesprochenen begrifflich enger oder ferner benachbart sind.

Es sind seine Begriffsverwandten. Sie bilden unter sich und mit dem ausgesprochenen Wort ein gegliedertes Ganzes, ein Gefüge, daß man Wortfeld oder sprachliches Zeichenfeld nennen kann. Das Wortfeld ist zeichenhaft zugeordnet einem mehr oder weniger geschlossenen Begriffskomplex, dessen innere Aufteilung sich im gegliederten Gefüge des Zeichenfeldes darstellt, in ihm für die Angehörigen einer Sprachgemeinschaft gegeben ist.

Das ausgesprochene Wort steht vor der zum Feld sich ordnenden Fülle seiner Nachbarn. Es hebt sich von ihnen ab und ordnet sich ihnen doch an bestimmter Stelle ein. Die Worte im Feld stehen in gegenseitiger Abhängigkeit voneinander. Vom Gefüge des Ganzen her empfängt das Einzelwort seine inhaltliche begriffliche Bestimmtheit.

Die Bedeutung des Einzelwortes ist abhängig von der Bedeutung seiner begrifflichen Nachbarn (nach J. Trier. Der deutsche Wortschatz im Sinnbezirk des Verstandes. Heidelberg, 1931).

 

"Gehen Sie, oder fahren Sie nach Hause?" Es ist selbstverständlich, daß man in einem Wagen fährt, zu Fuß geht, und auf einem Pferde reitet. Solche Bedeutungsbeziehungen zwischen Wörtern, daß mit dem einen das andere implicite mitgesetzt ist, finden sich in der Sprache in großer Zahl. Wie das Gehen die Füße voraussetzt, so das Greifen die Hand, das Sehen das Auge, das Hören das Ohr, das Lecken die Zunge (Nach W. Porzig, Wesenhafte Bedeutungsbeziehungen. Halle (Saale), 1934).

 

Ursachen der Synonymie

 

l) Synonyme sollen Wertvorstellungen, gesellschaftliche Einschätzungen, gesellschaftliche Gefühle besser ausdrücken.

2) Eine ständige Quelle neuer Synonyme sind euphemistische Umschreibungen. Da der verhüllende Charakter der Euphemismen verloren gehen kann, neue Hüllwörter benötigt werden, entstehen umfangreiche Synonymgruppen.

3) Synonyme werden aus dem Bedürfnis herausgebildet, als wesentlich betrachtete Merkmale des Denotats hervorzuheben.

4) Aber auch "kommunikationstechnische" Gründe können zur Bildung von Synonymen führen. Verständlichkeit, Durchschaubarkeit auf der einen, Ökonomie, Klappheit auf der anderen Seite sind Pole eines Widerspruchs, der zur Synonymbildung führt:

Hier sind vor allem Verdeutschungen von Fremdwörtern zu nennen, wie Anschrift Adresse, Facharzt Spezialist, Stockwerk Etage, Pförtner Portier, Dienstleistungsbetrieb Service.

5) Häufig führt das Bedürfnis nach fachgerechter Ausdrucksweise ebenso wie die Erhöhung der Allgemeinbildung der Bevölkerung und, dadurch bedingt, der stärkere Gebrauch des Fachwortschatzes auch in der Alltagskommunikation zum synonymen Nebeneinander von Fachwort und gemeinsprachlicher Bezeichnung, wie bei Gynäkologe Frauenarzt, ökonomisch wirtschaftlich, rationell – sparsam, wirtschaftlich.

6) Emotional-expressive Synonyme entstehen durch metaphorische Über­tragung. Das ist oft mit einem Übergang aus einem Kommunikationsbereich in einen anderen verbunden, wie z.B. aus dem Sonderwortschatz des Sports in den Bereich der Umgangssprache: starten neben beginnen... (nach Th. Schippan. Lexikologie der deutschen Gegenwartssprache. Leipzig, 1984).

 

Fragen und Aufgaben zum Seminar

 

l. Wodurch charakterisieren sich Wortbeziehungen in einem paradigma­tischen und syntagmatischen Wortfeld?

2. Nennen Sie Hauptmerkmale von Synonymen!

3. Worin besteht die Funktion der lexikalischen und stilistischen Synonyme?

4. Welche Arten der Synonyme unterscheidet man?

5. Führen Sie Beispiele für hyperonym-hyponymische Beziehungen, für Tautonyme bzw. landschaftliche oder territoriale Dubletten!

6. Unter welchem Begriff lassen sich folgende Gruppen von Wörtern einordnen?

(a) Brot, Fleisch, Milch, Wurst, Butter, Saft, Salz, Zucker;

(b) Vater, Mutter, Sohn, Tochter, Schwester;

(c) sagen, sprechen, mitteilen, berichten, erzählen;

(d) Lehrer, Unterricht, Schüler, Klasse.

7. Bestimmen Sie die Art des Wortfeldes!

(a) lehren Lehre Lehrer – lehrhaft;

(b) Zunge – lecken, Lippen – küssen, Ohr – hören, Hund – bellen, fällen Bäume;

(c) hämmern Hammer, bohren – Bohrer, richten – Richter, schreiben – Schreiber, reiten – Reiter.

8. Durch welche Bedeutungselemente unterscheiden sich die Wörter der Reihen von dem jeweils unterstrichenen Wort? Welche Gesichtspunkte einer feldmäßigen Gliederung lassen sich erkennen?

Nachricht, Neuigkeit, Mitteilung, Botschaft, Kunde, Meldung;

Mut, Tapferkeit, Kühnheit, Furchtlosigkeit, Unerschrockenheit,

Tollkühnheit, Wagemut.

9. In welchen Kontexten sind folgende Synonyme auszutauschen?

Fragen – sich wenden an…, zu Rate ziehen, konsultieren, sich erkundigen nach…, bitten, kontrollieren;

Faden – Bindfaden, Leitgedanke;

bestimmen – zudenken, vorsehen, auswühlen, befehlen, die Zügel in der Hand haben, den Ton angeben, definieren, determinieren, anordnen, veranlassen.

10. Bilden Sie Antonyme mit Hilfe verschiedener Wortbildungsmittel!

Glück, Erfolg, Achtung, Lust, Geduld, Abwesenheit, Verlobung, Schuld, Fortschritt, achten, beladen, billigen, trauen, absteigen, festbinden, ausgraben, entwickeln, einatmen, bewaffnen, entwässern, entkorken, verhüllen.

11. Bestimmen Sie die Bedeutung folgender Homonyme. Übersetzen Sie ins Russische!

Das Wort (die Wörter) – das Wort (die Worte); die Bank (die Bänke) – die Bank (die Banken); das Band (die Bänder) – der Band (die Bände); der Leiter (die Leiter) – die Leiter (die Leitern); das Steuer (die Steuer) – die Steuer (die Steuern); die See (die Seen) – der See (die Seen); die Kunde (die Kunden) – der Kunde (die Kunden); das Tor (die Tore) – der Tor (die Toren); das Futter (vgl. Futter in die Raufe schütten) – das Futter (vgl. Stoff mit angewebtem Futter); das Tuch (die Tücher) – das Tuch (die Tüche), das Schloß (vgl. Ein Schloß vorhängen) – das Schloß (vgl. Schlösser in die Luft bauen).

 

Lesestoffe zum Seminar 5

Thema: Das Wort als Element der Wortverbindung

und Wortbildungskonstruktion. Wortbildungsarten

 

Das Deutsche kennt zwei Arten der Verknüpfung von Minimalzeichen: die syntaktische Wortverbindung als Wortgruppe (ohne prädikative Beziehung) bzw. als Satz (mit prädikativer Beziehung) und die Wortbildungskonstruktion
(= WBK), im Unterschied zum einfachen Wort (Simplex) ist die WBK in der Regel ein Komplex aus verschiedenen Morphemen. Im Unterschied zur Wortgruppe aber ist dieser Komplex durch die Stabilität des Wortes gekennzeichnet (M.D. Stepanowa, W. Fleischer. Grundzüge der deutschen Wortbildung. Leipzig, 1985. S.64).

Die Zusammensetzung hat sich aus der syntaktischen Verbindung mehrerer Wörter entwickelt. Syntaktisch Verbindungen waren zu einer Worteinheit verschmolzen. Man unterscheidet drei Arten von nominalen Zusammensetzungen: erstens kopulative (von den Indern als Dvandva bezeichnet), zweitens solche, in denen das zweite Glied durch das erste be­
stimmt wird; drittens sogenannte possessive (Bahuvrihi). Erst modern sind Zusammensetzungen, in denen das erste Glied durch das zweite bestimmt wird.

Die beiden Glieder von kopulativen Zusammensetzungen bezeichnen verschiedene Seiten desselben Gegenstandes, z.B. Prinzgemahl, Fürstbischof, Königherzog, süßsauer, naßkalt, taubstumm.

In Bestimmungszusammensetzungen wird das zweite Glied in irgend welcher Art durch das erste bestimmt, z.B. Filzhut, Glasscheibe (das erste Glied bezeichnet den Stoff), Bergbahn, Fußbank, Waldbaum (das erste Glied bezeichnet den Raum).

Die indischen Grammatiker bezeichnen eine Gruppe von Zusammensetzungen als Bahuvrihi. Eine Person oder ein lebloser Gegenstand wurde nach einem charakteristischen Teile benannt. In der neueren Sprache haben zahlreiche Zusammensetzungen Bahuvrihicharakter angenommen, z.B. Dummkopf, Trotzkopf, Schreihals, Rotkäppchen. Mit den Bahuvrihi-zusammensetzungen verwandt sind die aus Imperativsätzen entstandenen: Greifzu, Taugenichts, Tunichtgut, Schlagetot, Springinsfeld (nach H. Paul, Deutsche Grammatik. Halle (Saale), 1957).

 

Neben den Ableitungen gibt es Zusammenbildungen, wo bloße (syntaktische) Wortverbindungen, die für sich noch nicht als Zusammensetzungen betrachtet oder empfunden werden, zur Grundlage von Ableitungen gemacht sind, z.B. Gesunderhaltung, Grundsteinlegung, Menschenwerdung, Außerachtlassung, Instandsetzung, Schaustellung, Pausen­turnen, Buchbinder, Langschläfer, Türsteher.

Unter dem Namen Rückbildung (auch retrograde oder inverse Ableitung) vereinigt man verschiedenartige Ableitungen, die das Gemeinsame haben, daß sie die kürzeren Ausgangswörter zu anderen Bildungen darzustellen scheinen, während in Wirklichkeit das Umgekehrte der Fall ist. Als solche Rückbildungen erscheinen zunächst die Nomina postverbalis (Ärger, Handel, Erwerb) (nach W. Henzen. Deutsche Wortbildung. Halle (Saale), 1957).

 

“Die Bereicherung des Wortschatzes einer Sprache erfolgt nicht nur durch die Bildung neuer Wörter (Neologismen), durch Entlehnung aus fremden Sprachen und den sogenannten Bedeutungswandel in bezug auf Einzelwörter, sondern auch dadurch, daß freie syntaktische Wortverbindungen, Wortgruppen, in speziellen Bedeutungen “fest” und damit zu Bestandteilen des Wortschatzes werden können: kalter Kaffee ‘Altbekanntes, Unsinn’, Stein des Anstoßes ‘Ursache des Ärgernisses’, Mutter Grün ‘die grünende Natur’, Trübsal blasen ‘traurig, bedrückt sein’. (Der Begriff Phraseologie ist heute in zwei Bedeutungsvarianten geläufig:) 1) ’sprachwissenschaftliche Teildisziplin, die sich mit der Erforschung der Phraseologismen beschäftigt’; 2) ’Bestand (Inventar) von Phraseologismen in einer bestimmten Einzelsprache’“ (Wolfgang Fleischer. Phraseologie der deutschen Gegenwartssprache. Leipzig, 1982. S.7, 9).

Fragen und Aufgaben zum Seminar

 

l. Bestimmen Sie Gegenstand und Aufgaben der Wortbildungslehre!

2. Wodurch unterscheiden sich voneinander determinative und possessive Zusammensetzungen?

3. Warum ist die Zusammenbildung als besondere Art der Ableitung zu bestimmen?

4. Nennen Sie Unterschiede zwischen impliziten Ableitungen und Konver­sionen!

5. Führen Sie Unterscheidungsmerkmale von Ableitungen und Präfix­bildungen an!

6. Was versteht man unter der Idiomatisierung der Wortbildungskonstruk­tionen und Wortverbindungen?

7. Wodurch unterscheiden sich freie und phraseologische Wortverbindungen?

8. Stellen Sie die Wortbildungsart von folgenden Wörtern fest!

Schlafzimmer, Lehre, Schlaf, Kahlkopf, taubstumm, Trinkgeld, Geflügel, Mißton, Ausweg, Ausgang, Rotbart, Tageslicht, trotzdem, schrittweise, Tat, Springinsfeld, übernachten, Starrkopf, Rührmichnichtan.

9. Finden Sie determinative Zusammensetzungen und beschreiben Sie ihre Merkmale!

Pilzsucher, Pulloverhemd, Kriegshetze, das Rüsten, Kilo, Kauf.

10. Finden Sie Rückbildungen! Bestimmen Sie ihre Besonderheiten!

Dickkopf, Arbeitgeber, Kampf, Auto, dank, Rauch, Ärger, Ober, unnatur.

11. Von welchen Wörtern sind folgende Abkürzungen gebildet?

Labor, ABF, Alex, Kilo, Ober, Lotte, Uni.

12. In welchen Wortbildungskonstruktionen ist die zweite Konstituente als explizite oder als implizite Ableitung zu betrachten?

Stubenhocker, Bombenerfolg, Abenddämmerung, Freudengeschrei, Atomkrieg, Freiheitskämpfer, Steinbruch, Arbeitsschutz.

13. Finden Sie russische Äquivalente für folgende deutsche Phraseologismen! den Rubikon überschreiten, j-m blauen Dunst vormachen.

14. Erklären Sie Bedeutungen folgender Ableitungen: besiegbar, steuerbar, ausführbar; Büchelchen, Kaninchen, Veilchen; Irrsal, Schicksal, Labsal; bedauernswürdig, lobenswürdig, empfehlenswürdig; Edelmut, Kleinmut, Frevelmut; Berglein, Ringlein, Tischlein; Deutelei, Schnuffelei, Heuchelei, Schurkerei, Dichterei, Leserei; Dummerjan, Liderian, Blödian.

15. Setzen Sie die bedeutungsähnlichen Adjektive ein!

15.1. Schläfrig oder verschlafen? (Sprachpraxis. 5/1977. S.27).

Die Kinder wurden …, und bald fielen ihnen die Augen zu. Als der Wecker klingelte, erhob er sich noch ganz … Er antwortete seiner Frau mit … Stimme, und bald schwieg er ganz. Auf so frühen Besuch unvorbereitet, schaute er … aus der Tür. Es war warm und still im Raum, und bald wurde ich … Die uralten Häuschen mit den kleinen Fenstern machten einen … Eindruck.

(Bedeutung – schläfrig: mit dem Zeichen der Ermüdung und des Schlafsbedürfnisses; verschlafen: a) noch nicht hellwach, mit einem Rest von Müdigkeit, b) nicht aktiv, nicht wachsam, verträumt).

15.2. Setzen Sie anstelle der Adjektive glänzend, funkelnd oder strahlend ein! (Sprachpraxis. 2/1977. S.27).

Sie trug ein glitzerndes Armband. Die Kinder saßen mit leuchtenden Augen um den Geburtstagstisch. Er hat die Prüfung hervorragend bestanden. Seine Beweisführung war bestechend. Die Verbundeten errangen einen grossen Sieg über Napoleon. Er kam in grossartiger Laune nach Hause.

(Bedeutung – glänzend: a) spiegelnd, blank, Licht reflektierend; b) hervor­ragend, bestechend, ruhmvoll, prächtig; funkelnd: glitzernd, kleine Lichtblitze oder Strahlen aussendend; strahlend: a) leuchtend, hell; b) heiter, glücklich).

15.3. Blaß oder bleich? (Sprachpraxis. 5/1976. S.28).

Das neue Auto ist in einem … Blau gehalten. Durch das Fenster fiel das … Mondlicht. Ihr Haar war durch Sonne und Seewind ganz … geworden. In der Sonne wird die Wäsche wieder richtig … Die Farbe des Pullovers ist vom vielen Waschen ganz … geworden. Ich hatte von dem Vorfall keine … Ahnung. Das Kind hat nur noch ganz … Erinnerungen an seinen Grossvater.

(Bedeutung – blass: von schwacher Farbe, schwach, gering; bleich: farblos, hell, weiss).

15.4. Endlos oder unendlich? (Sprachpraxis. 1/1977. S.26).

Er behandelt die Kinder mit … Geduld. Ich habe mich über diese Nachricht … gefreut. Über die Mode kann man … streiten. Mein Freund kann … über Autos sprechen. Ich bin … traurig über den Verlust. Der Kollege hat die Arbeit mit … Sorgfalt ausgeführt.


 

15.5. Deutlich oder klar? (Sprachpraxis. 6/1976. S.26).

Es war mir nicht …, was er wollte. Ich kann mich noch … an seinen Vater erinnern. Nach dem Vorfall konnte ich keinen … Gedanken fassen. Du hast eine sehr un-… Handschrift. Das Wasser des Sees war ganz …. In der Dunkelheit war das Verkehrsschild nur ganz un-… zu erkennen.

(Bedeutung – deutlich: a) gut erkennbar, fühlbar, hörbar, sichtbar, lesbar;

b) offen, grob, nachdrücklich;

klar: a) verständlich, einleuchtend, deutlich;

b) hell, durchsichtig;

c) verständig).

16. Setzen Sie die bedeutungsähnlichen Verben ein!

16.1. Erreichen oder erzielen? (Sprachpraxis. 1/1976. S.27).

Die Monopole haben in der sogenannten Ölkriese besonders grosse Profite … Der Abteilungsleiter war telefonisch nicht zu … Der Wagen … eine Geschwindigkeit von 150 Stundenkilometern. Mit seinen merkwürdigen Reden … er nur Gelächter. Er hat es …, dass seine Gedichte gedruckt werden. Mit diesen neuen Produktionsmethoden konnte man erhebliche Qualitätssteige­rungen …

(Inhaltlicher Hinweis – erreichen: ans Ziel gelangen, mit den Händen hinlangen können, mit jmdm. Verbindung erhalten, etw. durchsetzen, trotz allem schaffen;

sich einem Mass, Gewicht, einer Geschwindichkeit usw. nähern;

erzielen: ein geplantes Resultat erhalten (mit dem Gedanken an ausgeklügelte Methoden).

16.2. Geschehen oder vorkommen? (Sprachpraxis. 1/1976. S.28).

Ich bin schon lange Lehrer, aber ein so disziplinloser Schüler ist mir noch nicht … Warum weint sie? Ist ihr etwas … So geht es nicht weiter. Es muss endlich etwas Entscheidendes … Der Arzt war ratlos. Ein solcher Fall war in seiner Praxis noch nicht … Was soll jetzt mit dem übrigen Material …? Er stürzte mit seinem Motorrad, aber es … ihm nichts.

(Inhaltlicher Hinweis – geschehen: es passiert etw., es findet etw. statt, jmdm. widerfährt etw. meist Unangenehmes;

vorkommen: etwas tritt in einem bestimmten Zeitraum oder Gebiet, auch in einem Buch, Film, Text usw. auf).

 

*********************************************************
 

WORTBILDUNGSARTEN

♦ Wortbildung ist eine Kombination vorhandener Wörter oder Stämme entweder miteinander oder mit Bildungselementen (Affixen), die im Satz frei und beweglich nicht vorkommen, vgl. Eisen-bahn, Schuhmach-er, sand-ig, Lehr-ling, Un-glück (nach W. Fleischer).

 

♦ Neue Wörter werden in der deutschen Sprache der Gegenwart auf folgende Weise gebildet:

1) aus vorhandenen selbständigen Wörter (Lexemen) zusammengesetzt;

2) von bekanntem Wortgut mittels bestimmter Suffixe oder durch Ablaut des Stammvokals abgeleitet;

3) von fertigen Wörtern mittels bestimmter Präfixe gebildet.

In diesem Zusammenhang unterscheidet man im Deutschen folgende Wortbildungsarten:

1. Zusammensetzungen (Komposita):

1.1. Determinative Zusammensetzungen (Determinativkomposita, Bestim­mungszusammensetzungen oder attributive Zusammensetzungen);

1.2. Kopulative Zusammensetzungen (Kopulativkomposita bzw. Additi­onswörter);

1.3. Possessive Zusammensetzungen (Possessivkomposita; possessiv-meto­nymische Zusammensetzungen; Bahuvrihi);

1.4. Zusammenrückung.

2. Ableitungen:

2.1. Explizite Ableitungen;

2.2. Implizite Ableitungen;

2.3. Rückbildungen;

2.4. Zusammenbildungen;

2.5. Konversionen.

3. Präfixbildungen.

4. Sonstige Wortbildungsarten:

4.1. Kurzwörter;

4.2. Initialwörter;

4.3. Reduplikation und Iteration;

4.4. Kontamination;

4.5. Pseudoetymologische Umdeutung.

 

Zusammensetzungen (Komposita):

♦ Die Zusammensetzung hat sich aus der syntaktischen Verbindung mehrerer Wörter entwickelt. Syntaktisch Verbindungen waren zu einer Worteinheit verschmolzen.

„Das Deutsche kennt zwei Arten der Verknüpfung von Minimalzeichen: die syntaktische Wortverbindung als Wortgruppe (ohne prädikative Beziehung) bzw. als Satz (mit prädikativer Beziehung) und die Wortbildungskonstruktion (= WBK).

Im Unterschied zum einfachen Wort (Simplex) ist die WBK in der Regel ein Komplex aus verschiedenen Morphemen.

Im Unterschied zur Wortgruppe aber ist dieser Komplex durch die Stabilität des Wortes gekennzeichnet“ (M.D. Stepanowa, W. Fleischer. Grundzüge der deutschen Wortbildung. Leipzig, 1985. 236 S. S.64).

„Die WBK wird als einheitliche Benennung "gespeichert". Damit ist eine Lexikalisierung der WBK eingetreten.

Das heißt: Der extensionale Bezug der WBK läßt sich nicht mehr aus der Bedeutung ihrer Benennungsstruktur ableiten, die durch die Bedeutung der beiden unmittelbaren Konstituenten bestimmt ist, obwohl noch auf Merkmale benannten Gegenstandes verwiesen ist: Bahnhof hat durch die erste UK noch einen Bezug auf Eisenbahn.

Der Prozeß der Demotivation hat hier noch nicht zu völliger Idiomatisierung geführt.

Diese liegt erst dann vor, wenn in der Benennungsstruktur kein Bezug mehr auf Merkmale des benannten Gegenstandes gegeben ist: fabelhaft "großartig, ausgezeichnet"
(M.D. Stepanowa, W. Fleischer. Grundlage der deutschen Wortbildung. Leipzig, 1985. 236 S. S.70-71 u.a.).

 

♦ Man unterscheidet drei Arten von nominalen Zusammensetzungen:

(1) kopulative (von den Indern als Dvandva bezeichnet);

(2) solche, in denen das zweite Glied durch das erste be­stimmt wird;

(3) sogenannte possessive (Bahuvrihi).

Erst modern sind Zusammensetzungen, in denen das erste Glied durch das zweite bestimmt wird.

♦ Im Unterschied zur Wortverbindung ist die Reihenfolge der Morpheme in der Zusammensetzung in der Regel unvertauschbar, vgl. Dorfstraßedes Dorfes Straße; die Straße des Dorfes.

Die Zusammensetzung ist auch inhaltlich eine neue Einheit.

Die Bedeutung der Zusammensetzung ist nicht immer eindeutig motiviert, vgl. Großmutter ¹ *große Mutter.

 

♦ In einer Bestimmungszusammensetzung wird das zweite Glied (das Grund-wort) durch das erste Glied (das Bestimmungswort) determiniert, bzw. näher bestimmt.

In Bestimmungszusammensetzungen wird das zweite Glied in irgend welcher Art durch das erste bestimmt, z.B. Filzhut, Glasscheibe (das erste Glied bezeichnet den Stoff), Bergbahn, Fußbank, Waldbaum (das erste Glied bezeichnet den Raum).

Das Grundwort benennt das ganze Feld und das Vorderglied sagt, unter welchem Gesichtspunkt eine Erscheinung dieses Feldes gesehen und gesondert ist, vgl. Feuerstelle, Feuerwerk, Feuerversicherung (vgl. Hennig Brinkmann . Die Zusammensetzung im Deutschen . Sprachforum . Jg.2. 1956-57. Heft 3, 4. S.222-230).

Sowohl das Bestimmungs- als auch das Grundwort können Wurzel-, abgeleitetes oder zusammengesetztes Wort sein, vgl. Tisch-lampe; Übungs-buch; Film-schauspieler; Straßenbahn-haltestelle (vgl. Xenija Aristarchowna Lewkowskaja. Die Lexikologie der deutschen Gegenwarts­sprache. M., 1968. S.126).

Nach der Art der Verbindung beider Konstituenten der Zusammensetzung unterscheidet man eigentliche und uneigentliche Zusammensetzung.

 

Eigentliche (echte) Zusammensetzung hat kein Bindeelement zwischen den Konstituenten.

Das Bestimmungswort tritt als bloßer Stamm auf, z.B. Apfelbaum, Schulgebäude.

In der uneigentlichen Zusammensetzung wird das Bestimmungswort an das Grundwort mittels eines Bindeelements gefügt, z.B. Kalbsbraten, Augenwimper.

Das Bindeelement kann fakultativ sein, vgl. Waldesrand – Waldrand.

Manchmal erfüllt es aber eine bedeutungsdifferenzierende Funktion, vgl. Landmann ("Bauer") – Landsmann ("der Mensch, der aus demselben Land stammt").

 

♦ Es gibt folgende Kompositionsfugen (Bindeelemente) in den determinativen Zusammensetzungen:

1) s-Fuge (Ortsverzeichnis, Arbeitstag, Hilfspersonal),

2) en-Fuge (Sonnenschein, Menschenkenntnis, Schwanenhals),
3) e-Fuge (Hundehütte, Getränkeautomat, Mäusefalle),

4) er-Fuge (Bilderbuch, Hühnerstall, Kleiderbügel),

5) es-Fuge (Bundestag, Jahresbericht, Bundesbahn),

6) ens-Fuge (Friedensbewegung, Glaubensfrage, Willensfreiheit).

 

Man unterscheidet verschiedene Formen der Komposition, z.B. komplexe Komposita, die aus mehreren Wörtern bestehen und deren Konstituenten mittels Fugen verbunden werden, vgl.

Bundesausbildungsförderungsgesetz,

Krankenkassenkostendämpfungsgesetz,

Lohnsteuerjahresausgleichsantragsverfahren

(Vgl. Weinrich H. Textgrammatik der deutschen Sprache. Dudenverlag. Mannheim, Leipzig, Wien, Zürich, 1993. 1111 S. S.927).

 

♦ Das Bestimmungswort in der determinativen Zusammensetzung entspricht einem Attribut und kann im Hinblick auf das im Grundwort genannte Wesen oder Ding folgendes ausdrücken:

1) eine Charakterisierung (Edelmann – der edle Mann);

2) ein Besitzverhältnis (Vaterhaus – Haus des Vaters);

3) den Stoff oder einen Produkt bzw. einen Hauptbestandteil (Kartoffelsuppe – Suppe aus Kartoffeln);

4) die Lage oder Richtung (Seebad – Bad an der See);

5) die Zeit (Julihitze – Hitze im Juli);

6) das Mittel (handgemalt – mit der Hand gemalt);

7) einen Vergleich (Staubregen – Regen wie Staub);

8) Subjekt oder Objekt der Verwendung (Armenhaus, Handtuch, Fußlappen);

9) Tätigkeit (Backhaus, Badehose, Sportplatz);

10) betreibendes Instrument (Handarbeit, Omnibusfahrt, Waffengewalt);

11) Hersteller oder Verursacher bzw. Quelle (Volkslied, Schillerstück, Bienenhonig).

 

♦ Es gibt auch substantivische Kopulativkomposita (Südwest, Nordost, Hemdhose; Prinzregent, Dichterkomponist), deren Glieder verschiedene Seiten ein und derselben Sache oder Person bezeichnen.

Dazu gehören auch zusammengesetzte Substantive, in denen die zweite Konstituente die allgemeine weitere Begriffskategorie der ersten angibt (Eichbaum, Kieselstein, Rindvieh).

W. Schmidt unterscheidet in den kopulativen Zusammensetzungen tautologische Komposita, z.B. Habergeiß – Ziegenbock; Haber = Bock; Lindwurm (ahd. lind = Schlange); Mohrrübe (mhd. möre = Möhre).

In den tautologischen Zusammensetzungen sind beide Konstituenten synonym (Wilhelm Schmidt. Deutsche Sprachkunde. Berlin, 1968. S.99).

Kopulative Zusammensetzungen unterscheiden sich von den determinativen Komposita im wesentlichen durch zwei Merkmale:

1) die beiden Konstituenten in der echten kopulativen Zusammensetzung stehen zueinander in einem koordinierenden Verhältnis;

2) die beiden Konstituenten sind semantisch unabhängig voneinander, z.B. blaugrau, blaugrün, dreizehn, Südwest, Nordost, Hemdhose, Fürstbischof. W. Schmidt bezeichnet kopulative Zusammensetzungen als Reihenwörter.

Die beiden Glieder von kopulativen Zusammensetzungen bezeichnen verschiedene Seiten desselben Gegenstandes, z.B. Prinzgemahl, Fürstbischof, Königherzog, süßsauer, naßkalt, taubstumm.

Unter ihnen unterscheidet man Additionszahlwörter (dreizehn, neunzehn).

Sie bestehen aus gleichgeordneten Komponenten, deren Einzelbedeutungen in dem Kompositum summiert erscheinen.

 

♦ Bei manchen kopulativen Zusammensetzungen kann man auch von einem Kern und einer Peripherie sprechen.

Das sind einige Personenbezeichnungen, deren Konstituenten zwei Merkmale der Person benennen, vgl. Mördergeneral = General, der ein Mörder ist; Spielertrainer = Trainer, der außerdem in der Mannschaft spielt; vgl. auch: Gastdozent, Arbeitersportler, Starschauspieler.

In diesen peripheren Zusammensetzungen steht die erste Konstituente zur zweiten Konstituente in einem präzisierenden und appositionellen Verhältnis.

Unter den kopulativen Personenbezeichnungen kann man auch solche unterscheiden, in denen umgekehrt die zweite Konstituente zu der ersten Konstituente in einem präzisierenden und appositionellen Verhältnis steht, vgl. Fischerkollege = Fischer, der mein Kollege ist; Arbeiterforscher = Arbeiter, der auch forscht, vgl. auch: Arztbruder, Kosmonautengäste.

 

 

♦ "Die possessiv-metonymischen Zusammensetzungen nähern sich ihrer Struktur nach den Bestimmungszusammensetzungen, von denen sie sich bloß in semantischer Hinsicht unterscheiden" (Xenija Aristarchowna Lewkowskaja. Die Lexikologie der deutschen Gegenwartssprache. M., 1968. S.130), vgl. Langbein (der Mensch, der lange Beine hat); Trotzkopf (ein trotziger Mensch). Solche Wortbildungskonstruktionen bezeichnen als Namen einer Sache eigentlich deren Besitzer.

W. Schmidt nennt possessive Zusammensetzungen exozentrische Komposita, weil das bezeichnete Subjekt außerhalb des Kompositums liegt.

Anhand der possessiven Zusammensetzungen kann der Unterschied zwischen Benennungs- und Bezeichnungsfunktion des Wortes gezeigt werden.

Genannt werden hier Körperteile oder Bekleidungsstücke, bezeichnet wird der Mensch, vgl. Holzkopf, Milchgesicht, Langohr, Schlafmütze, Faulpelz. Die indischen Grammatiker bezeichnen eine Gruppe von Zusammensetzungen als Bahuvrihi.

Eine Person oder ein lebloser Gegenstand wurde nach einem charakteristischen Teile benannt.

In der neueren Sprache haben zahlreiche Zusammensetzungen Bahuvrihicharakter angenommen, z.B. Dummkopf, Trotzkopf, Schreihals, Rotkäppchen.

Mit den Bahuvrihizusammensetzungen verwandt sind die aus Imperativsätzen entstandenen: Greifzu, Taugenichts, Tunichtgut, Schlagetot, Springinsfeld (nach H. Paul, Deutsche Grammatik. Halle (Saale), 1957).

Man kann also possessiv-metonymische Zusammensetzungen als Bahuvrihi betrachten (bahu = viel; vrihi = Reis). Im Altindischen war das eine Bezeichnung für einen reichen Mann, der viel Reis besaß.

Bahuvrihi drücken die charakteristische Eigenschaft oder die Beschaffenheit eines Lebewesens aus. Sie treten als Benennungen des ganzes Lebewesens auf, das sie bezeichnen, vgl. Rotkäppchen, Blaustrumpf, Grünschnabel, Rotkehlchen.

Das Rotkäppchen benennt das rote Käppchen, bezeichnet aber das Mädchen, das dieses Käppchen trägt.

Das ist eine metonymische Übertragung vom Teil auf das Ganze, vom charakteristischen Merkmal des Lebewesens auf das Lebewesen selbst.

 

Zusammenrückung. Das ist eine besondere Art der Zusammensetzung, und zwar eine lockere Verbindung mehrerer Wörter oder sogar eines kleinen Satzes zu einer Einheit, wobei die Komponenten keine Veränderungen erleiden, vgl. geht zu Grunde ® Zugrundegehen; in Folge ® infolge; trotz dem ® troztdem.

Es sind auch die sogenannten Satzwörter, z.B. Vergißmeinnicht, Taugenichts, Springinsfeld.

Einige Sprachwissenschaftler vertreten aber die Meinung, daß die Satznamen von dieser Art eher zu den Possessivkomposita gehören, z.B. imperativische Familien- und Pflanzennamen, vgl. Füllkopf, Kehraus, Leberecht, Schlagetot (Wilhelm Schmidt. Deutsche Sprachkunde. Berlin, 1968. S.101).

 

         ♦ Nach dem Vorhandensein und Nichtvorhandensein der Suffixe unterscheidet man explizite und implizite Ableitungen.

         Implizite Ableitungen sind Wörter ohne erkennbare Suffixe. In der expliziten Ableitung ist die erste Konstituente die Basis (Stammorphem), die zweite – das Ableitungssuffix (gebundenes Morphem), z.B. Besucher, Schönheit, sandig

(explizite Abl.); Besuch, Gebrauch, Schlaf (implizite Abl.).

Jede Ableitung ist immer ein Übergang eines Wortes in eine andere Wortart.

          Bei dieser Art der Wortbildung verändert sich also die Wortklasse (im Unterschied zu den Präfixbildungen).

 

♦ Unter dem Namen Rückbildung (auch retrograde oder inverse Ableitung) vereinigt man verschiedenartige Ableitungen, die das Gemeinsame haben, daß sie die kürzeren Ausgangswörter zu anderen Bildungen darzustellen scheinen, während in Wirklichkeit das Umgekehrte der Fall ist.

“Als solche Rückbildungen erscheinen zunächst die Nomina postverbalis (Ärger, Handel, Erwerb) (nach W. Henzen. Deutsche Wortbildung. Halle (Saale), 1957).

Unter dem Terminus "Rückbildung" vereinigt man verschiedenartige Ableitungen, denen gemeinsam ist, daß sie kürzer sind als ihre Ausgangswörter.

Es sind in erster Linie Substantive, die durch Verkürzung der Ausgangsverben entstanden sind, z.B. Substantive, die von den Adjektiven gebildet sind.

Dabei haben sich die Ausgangsadjektive auch (geschichtlich gesehen) von Adjektiven entwickelt, z.B. Freimut (von freimütig), Sorgfalt (von sorgfältig), Ausland (von ausländisch), Zwiespalt (von zwiespältig), Unnatur (von unnatürlich), Vormärz (von vormärzlich).

 

 

♦ Neben den Ableitungen gibt es Zusammenbildungen, wo bloße (syntaktische) Wortverbindungen, die für sich noch nicht als Zusammensetzungen betrachtet oder empfunden werden, zur Grundlage von Ableitungen gemacht sind, z.B. Gesunderhaltung, Grundsteinlegung, Menschenwerdung, Außerachtlassung, Instandsetzung, Schaustellung, Pausen­turnen, Buchbinder, Langschläfer, Türsteher.

Die Zusammenbildung ist eine besondere Art der Ableitung aus Wort-gruppen, Wortverbindungen mit Hilfe des Suffixes und manchmal ohne Suffix.

Die Basis für sie bildet nicht ein Wort, sondern eine syntaktische Fügung, vgl. Gesetzgebung (gibt Gesetze), blauäugig (mit blauen Augen), Eisbrecher (bricht Eis), Nichtstuer (tut nichts), übernachten (über Nacht bleiben), einkellern (in den Keller legen).

Zusammenbildungen sind vorwiegend Geschehensbezeichnungen (Menschenwerdung, Grenzziehung, Großschreibung) und Bezeichnungen von Personen und Geräten nach ihrem Verhalten und Verwenden (Dachdecker, Langschläfer, Neinsager, Staubsauger, Fernsprecher).

 

♦ Die Konversion ist die affixlose Ableitung ohne Veränderung der Ausgangsform.

Es ist ein Übertritt eines Wortes in eine andere Wortart in seiner "Normalform", z.B. das Essen, das Trinken, das Lachen, das Leben, das Treffen, das Dunkel, das Blau.

 

        ♦ Die Präfixe treten im Unterschied zu Suffixen vor dem fertigen Wort und verändern die Wortklasse nicht, z.B. Ausweg (Weg), Unrecht (Recht), uralt (alt), Mißvergnügen (Vergnügen), erschließen (schließen).

Aber: Ausgang ist implizite Ableitung vom Verb ausgehen, das seinerseits eine Präfixbildung ist.

 

         ♦ Kopfwörter. Sie bilden sich infolge der Reduzierung der zweiten Kon-stituente bei den zusammengesetzten Wörtern, z.B. Ober¬Oberkellner; Labor¬Laboratorium; Auto¬Automobil; Kilo¬Kilogramm; Lok¬Loko­motive, Foto¬Fotografie, Oper¬Opernhaus, Abi¬Abitur, Uni¬Univer­sität.

Schwanzwörter (auch: Codawörter).

Sie bilden sich von den zusammengesetzten Wörtern durch die Reduzierung der

ersten Konstituente, z.B. Rad¬Fahrrad, Platte¬Schallplatte; Bahn¬Eisenbahn,

Bus¬Omnibus; Cello¬Violoncello, Schirm¬Regenschirm.

 

Klammer- oder Klappwörter (Klammerformen). Diese Wörter entstehen

aus langen Wortverbindungen, und zwar aus den Anfangs- und Endteilen der Zu

sammensetzungen, z.B. Tankwart ¬Tankstellenwart; Lastwagen ¬ Lastkraftwa-

gen; Fernamt¬Fernsprechamt; Krad ¬Kraftfahrrad, Laub­säge ¬Laubholzsäge,

Damenuhr ¬Damenarmbanduhr; und auch aus einzelnen Buchstaben und

Silben einiger Wortgruppen (Buchstaben- und Silbenwörter, bzw. Initialwörter),

z.B. Stabi¬Staatsbibliothek, Kripo ¬Kriminalpolizei, Trafo¬Transformator;

PKW¬Personenkraftwa­gen, TÜV¬Technischer Überwachungsverein,

EG¬Europäische Gemein­schaft.

 

Man unterscheidet manchmal Kürzungen (Kurzwörter) und Abkürzungen terminologisch.

Abkürzungen sind die Kurzformen der Wörter in der geschriebenen Sprache.

Kurzwörter sind nicht nur graphisch, sondern auch phonisch realisierbare, gekürzte Formen, z.B. bzw.¬beziehungsweise, Dr.¬Doktor.

Ein Kurzwort ist die Reduktion eines Basislexems. Zwischen beiden entsteht eine besondere synonymische Beziehung, vgl. Ultrakurzwelle®UKW, Bundesrepublik Deutschland®BRD.

 

Man stellt folgende KW-Typologie vor:

1. Unisegmentale KW (besteht aus einem Segment);

2. Kopf-, End-, Rumpfwörter, vgl. Demo¬Demonstration, Bus¬Omnibus; Lisa¬Elisabeth;

3. Partielle KW (die letzte unmittelbare Konstituente bleibt ungekürzt), vgl.
U-Bahn
¬Untergrundbahn.

(Vgl. Dorothea Kobler-Trill: Das Kurzwort im Deutschen. Eine Untersuchung zu Definition, Typologie und Entwicklung. Max Niemeyer Verlag. Tübingen, 1994. 238 S. S.14 u.a.).

 

♦ Wiederholung eines Wortes oder Wortteils heißt Iteration oder Reduplikation, z.B. jaja, tagtäglich, zickzack, Wirrwarr, Mischmasch (Nach W.Henzen. Deutsche Wortbildung. Halle (Saale), 1957).

Durch die Wortverdopplung entstehen neue Wörter, z.B. Kuckuck, soso, Popo. Manchmal erfolgt die Iteration mit Ablaut, vgl. Singsang, Ticktack.

 

Kontamination. Das ist die Wortmischung durch fehlerhafte Verbindung zweier Wörter (Gebäulichkeit, Medizyniker).

Man nennt das auch Wortkreuzung, vgl. Erdtoffel = Kartoffel + Erdapfel.

Kontaminationen gelten also als teils scherzhaft gebildete, teils gedankenlos entstandene Mischformen.

Eines der scherzhaft gebildeten, durch häufigen Gebrauch von manchen schon ernsthaft angewendeten Beispiele ist nichtsdestotrotz (gebildet aus trotzdem und nichtsdestoweniger).

Auf diese Weise werden mehrere scherzhafte Wörter gebildet, vgl. Atmungsfähre (Atmosphäre); Windelator (Ventilator).